Tiergesundheit
Tiergesundheit bedeutet nicht allein die Freiheit von Krankheiten, sie ist auch wesentlicher Bestandteil für das Wohlbefinden der Tiere, für die öffentliche Gesundheit, den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit. Gesunde Tiere bilden die Basis für die Erzeugung gesunder und sicherer Nahrungsmittel tierischer Herkunft. Der Freistaat Bayern sieht daher in der Gesunderhaltung landwirtschaftlicher Nutztiere eine wichtige Aufgabe.
In einem globalisierten Agrarmarkt werden höhere Anforderungen an die Tiergesundheit gestellt als auf den national begrenzten Märkten der Vergangenheit. Eine Schwachstelle in der Produktionskette kann gravierende Folgeschäden nach sich ziehen (z. B. großräumige Sperrmaßnahmen nach Tierseuchenausbruch, Rückrufaktionen bei unsicheren Lebensmitteln). Über die bestehenden Gesundheits- und Kontrollprogramme zur Vermeidung von zwischen Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten (= Zoonosen) hinaus werden deshalb vom Freistaat Bayern auch Tiergesundheitsmaßnahmen unterstützt, die dem Abbau von Wirtschaftshemmnissen dienen. Die Aufrechterhaltung des im Jahr 2011 für ganz Bayern erreichten Status der Freiheit in Bezug auf das bovine Herpesvirus Typ 1 (BHV-1) und die Bekämpfung der bovinen Virusdiarrhö (BVD) gehören zu diesen Maßnahmen.
Die zuverlässige Erfassung von Informationen über den Gesundheitsstatus der Tiere und der Austausch dieser Daten zwischen den verschiedenen Stufen der Veredelungskette gewinnen sowohl in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit als auch auf die Erhebung von Tierwohlindikatoren immer mehr an Bedeutung. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) hat deshalb das im Frühjahr 2015 begonnene Projekt zur „Verbesserung der Tiergesundheit und des Tierwohls in bayerischen Tierhaltungsbetrieben auf Basis von Schlachttierbefunden und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schlachtung von Rindern, Schweinen, Masthühnern, Mastputen und Mastenten stehenden Parametern“ in den Jahren 2018 und 2019 fortgesetzt. Diese Befunddatenerfassung wird nun zu einer Tiergesundheitsdatenbank für bayerische Erzeugerbetriebe unter Verwendung von Schlachtbefunden und Betriebs- und Leistungsindikatoren aus der landwirtschaftlichen Produktionskette weiterentwickelt.
Ferner fördert das StMELF Projekte, die in der Praxis umsetzbare Erkenntnisse zur Verbesserung des Tierwohls und der Tiergesundheit erwarten lassen. Durch die einzelbetriebliche Investitionsförderung wird die Verbesserung der Haltungsbedingungen und damit auch der Tiergesundheit unterstützt. Auch die Förderung von Tiersensoren über das Bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft Digital trägt zur Verbesserung der Tiergesundheit in den Ställen bei. Über die Globalmaßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit werden vom StMELF Monitoring-Programme zur Überwachung und Verbesserung des Gesundheitsstatus in Tierhaltungen gefördert.
Afrikanische Schweinepest (ASP)
Die ASP kommt in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara sowie auf Sardinien endemisch vor. Seit Anfang 2014 sind auch die baltischen EU-Mitgliedstaaten und Polen von der ASP betroffen. Die Seuche breitet sich seither weiter aus. Im November 2019 wurden erstmals auch in Westpolen verendet aufgefundene Wildschweine positiv auf das ASP-Virus getestet. Damit ist ein weiterer ASP-Herd zu den bereits bekannten in Belgien (2018) und Ungarn (2018) hinzugekommen. Alle drei Herde sind jeweils ca. 300 km von Bayern entfernt. Die eingerichteten Restriktionszonen in Westpolen reichen mittlerweile unmittelbar bis zur deutsch-polnischen Grenze. Der Ausbruch veranschaulicht ein weiteres Mal das Potential dieser Tierseuche zur sprunghaften Ausbreitung, denn das Gebiet liegt über 300 km vom Seuchengeschehen im Osten Polens entfernt.
Eine Einschleppung der ASP nach Deutschland würde neben den gravierenden Auswirkungen für die Hausschweine auch schwere wirtschaftliche Folgen mit sich bringen. Im Falle einer Seuchenfeststellung in Deutschland müsste auch in Bayern mit massiven Marktstörungen und Preiseinbrüchen gerechnet werden, da Deutschland seinen ASP-frei-Status verlieren würde. Die Folge wäre, dass wichtige Exportmärkte außerhalb der EU (insbesondere China) nicht mehr zugänglich sind. Sollte es zu einem ASP-Ausbruch in Bayern kommen, wären die bayerischen Schweinehalter in dem betroffenen Gebiet zudem durch die Seuchenbekämpfungsmaßnahmen einschließlich Verbringungsverboten belastet. Insgesamt wären massive Auswirkungen auf die Strukturen in der Land- und Ernährungswirtschaft sowie im Jagdwesen und für den Tierschutz zu befürchten.
Das StMELF hat die umfangreichen Maßnahmen des für die Seuchenbekämpfung zuständigen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen seiner Zuständigkeiten flankierend unterstützt. Im Bereich der Prävention wurden in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Sensibilisierungs- und Aufklärungsmaßnahmen kontinuierlich fortgesetzt. Zusätzlich wurde gemeinsam mit der Bayerischen Tierseuchenkasse eine Projektstelle „Biosicherheit“ beim Tiergesundheitsdienst Bayern e. V. finanziert mit dem Ziel, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit alle Beteiligten an der Produktionskette Schwein auf die besonderen Gefahren und Abwehrmaßnahmen aufmerksam zu machen. Ferner wurden im jagdlichen Bereich umfassende Maßnahmen der Seuchenprävention auf den Weg gebracht. Besonders hervorzuheben ist der Wegfall des waffenrechtlichen Verbots bei Nachtsichttechnik auf Initiative Bayerns.
Blauzungenkrankheit (BT)
Bei der BT handelt es sich um eine für den Menschen ungefährliche anzeigepflichtige Viruserkrankung der Wiederkäuer, die durch stechende Insekten (Gnitzen) übertragen wird.
Dabei werden verschiedene Serotypen unterschieden. Freiwillige Impfungen sind mit Genehmigung der zuständigen Behörde (Veterinäramt) möglich. Infolge von Nachweisen der BT vom Serotyp 8 in den Wintermonaten 2018/2019 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegen Teile Bayerns in den daraufhin eingerichteten Restriktionsgebieten. Im Falle eines BT-Nachweises ist nach den EU-rechtlichen Vorschriften um den betroffenen Betrieb ein Gebiet mit einem Mindestradius von 150 km festzulegen, in dem weitreichende Einschränkungen im Viehverkehr gelten. Gemäß diesen EU-rechtlichen Anforderungen wurde zur Eindämmung der Weiterverbreitung der BT auf Grundlage einer vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) aktualisierten Risikobewertung von den Tierseuchenreferenten der Länder in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beschlossen, dass seit dem 18. Mai 2019 Kälber von nicht geimpften Kühen aus den Restriktionsgebieten ohne eigenen Impfschutz nicht mehr innerhalb Deutschlands in ein freies Gebiet verbracht werden können. Dieser Beschluss hatte für die bayerischen Rinderhalter in den Restriktionsgebieten, die ihre Tiere nicht geimpft hatten, weitreichende Konsequenzen, denn ab diesem Zeitpunkt konnten nicht geimpfte Tiere nicht mehr aus den reglementierten Gebieten verbracht werden. Dies hatte zur Folge, dass es innerhalb kurzer Zeit in dem betroffenen Gebiet zu einem Überangebot auf den Kälbermärkten gekommen ist, mit der Konsequenz eines massiven Preiseinbruches. Aufgrund einer Konkretisierung hinsichtlich der tierschutzrechtlichen Anforderungen an Transportfahrzeuge für nicht abgesetzte Saugkälber kam erschwerend hinzu, dass die mit den Niederlanden und Spanien abgeschlossenen Memoranden für ein Verbringen der Kälber weitgehend bedeutungslos blieben. In den betroffenen Gebieten hat sich für impfwillige Betriebe die Lage mittlerweile entspannt. Im Gegensatz zur Pflichtimpfung kann bei einem freiwilligen Verfahren jeder Rinder- und Schafhalter selbst entscheiden, ob er seine Tiere impfen lässt. Es besteht die Gefahr, dass im Falle einer Ausweitung der Restriktionsgebiete die Probleme in der Vermarktung in ähnlicher Weise erneut in bisher nicht betroffenen Gebieten Bayerns auftreten. Daher wird nach wie vor zur Impfung gegen BTV-8 und BTV-4 in ganz Bayern geraten. Um ein Gebiet aus einer Sperrzone ausnehmen zu können, müssen die Mitgliedstaaten nachweisen, dass in dem Gebiet zwei Jahre lang keine Viruszirkulation stattgefunden hat. Hierzu ist die Durchführung eines Überwachungsprogramms auf BT erforderlich. Da die Festlegung der ersten Restriktionszonen in Bayern im Januar 2019 erfolgte, kann somit aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben frühestens im Januar 2021 damit begonnen werden, diese schrittweise wieder aufzuheben.
Bovine Virusdiarrhoe (BVD)
Seit 2011 wird in Deutschland eine weitere verlustbringende Tierseuche beim Rind staatlich bekämpft: Ziel ist, die BVD aus den Beständen völlig zu tilgen. Die Probenahme erfolgt durch die Tierhalter beim Einziehen der Ohrmarken. Die Selbsthilfeeinrichtungen der Landwirtschaft (Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V, Tiergesundheitsdienst Bayern e. V.) wirken bei der Logistik und der Datenerfassung unterstützend mit.
Die Prävalenz (Häufigkeit einer Krankheit in einer Population zu einem bestimmten Zeitpunkt), bezogen auf neugeborene Kälber, konnte durch die eingeleiteten Maßnahmen bundesweit von 0,481 % im Jahr 2011 auf 0,006 % im Jahr 2019 reduziert werden. In Bayern erfolgte die Reduktion von 0,718 % im Jahr 2011 auf 0,003 % im Jahr 2019.
Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung
Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) wurde 2014 ein bundesweites System zur Erfassung und Reduktion des Antibiotikaeinsatzes bei Masttieren (Rind, Schwein, Huhn, Pute) ab einer bestimmten Bestandsgröße eingeführt. Es verpflichtet die betroffenen Tierhalter zur halbjährlichen Meldung ihrer Tierzahlen und Antibiotikaanwendungen in einer staatlichen Antibiotikadatenbank. Durch Benchmarking soll eine Verbesserung der Tiergesundheit und damit verbunden, eine Verringerung des Antibiotikaeinsatzes erreicht werden. Betriebe, die deutlich mehr Antibiotika anwenden als andere Betriebe der gleichen Nutzungsart müssen Maßnahmen ergreifen, um den Einsatz zu reduzieren. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluierung der Wirksamkeit des Konzepts im Jahr 2019 konnten gemäß dem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die nachfolgenden wesentlichen Erkenntnisse gewonnen werden:
Bei allen Nutzungsarten wurde eine Reduktion der Anwendung antibiotischer Tierarzneimittel erreicht. Die bei weitem stärksten Reduktionen konnten bei Mastferkeln und Mastschweinen erzielt werden. Am geringsten ist der Einsatz von Antibiotika bei Masthühnern und Mastputen zurückgegangen. Auch der Umfang des Einsatzes kritischer Wirkstoffklassen (so genannter Reserveantibiotika, also Antibiotika, die in erster Linie der Behandlung bestimmter Infektionskrankheiten beim Menschen dienen) war bei diesen beiden Nutzungsarten deutlich höher.
Es zeichneten sich positive Effekte des verringerten Antibiotikaeinsatzes auf die Entwicklung der Resistenzsituation ab. Das Spektrum der verwendeten Wirkstoffklassen blieb bei den erfassungspflichtigen Nutzungsarten konstant. Es fand somit keine Verschiebung zu für die Humanmedizin kritischen Wirkstoffklassen statt.
Die von den Tierhaltern gemeldeten Antibiotikaverbrauchsmengen bei den erfassungspflichtigen Nutzungsarten sanken gemäß Evaluierungsbericht vom zweiten Halbjahr 2014 zum zweiten Halbjahr 2017 um 94 t bzw. 31,6 %. Auch die betrieblichen Therapiehäufigkeiten sanken in diesem Zeitraum signifikant.
Das globale Problem der Antibiotikaresistenzen muss im Sinne eines „One Health“-Ansatzes durch das Zusammenwirken von Human- und Veterinärmedizin weiterhin intensiv verfolgt werden.
Gesundheitsmonitoring beim Rind
Pro Gesund war seit seiner Gründung im Jahr 2010 ein gemeinsames Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), des Bundes praktizierender Tierärzte in Bayern (bpt) sowie des Landeskuratoriums der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V. (LKV). Es wurde auch in den Jahren 2018/2019 mit Mitteln des StMELF unterstützt. Ziel des Projektes ist es, die Gesundheit und Langlebigkeit der Rinder durch die Erhebung und Analyse von Krankheitsdiagnosen und gesundheitsrelevanten Beobachtungen zu verbessern. Die Teilnahme beruht auf einer freiwilligen Erklärung von Landwirt und Tierarzt. Die erhobenen Daten werden in einer zentralen Datenbank gespeichert und können vom Landwirt und von seinem betreuenden Tierarzt in speziellen Online-Anwendungen ausgewertet werden. Damit ist es z. B. möglich, Schwachstellen der eigenen Herde im Gesundheitsbereich frühzeitig zu erkennen, präventive Maßnahmen bei absehbaren Problemen einzuleiten oder im Rahmen der tierärztlichen Bestandsbetreuung effektive Strategien zur Verbesserung der Gesundheit zu entwickeln. Derzeit nehmen an Pro Gesund 168 Tierärzte und 3 351 Landwirte teil (Stand: Juni 2020). Seit 1. Januar 2020 ist Pro Gesund ein Bestandteil der Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit und Robustheit landwirtschaftlicher Nutztiere. Es wurde damit zu einem dauerhaften Angebot des LKV, des bpt und der LfL, dessen Grundfinanzierung im Rahmen der staatlichen Förderung der Milchleistungsprüfung erfolgt.